Unbeschränkter Erbverzicht gilt auch für nach der Verzichtserklärung erworbenes Vermögen

Das deutsche Erbrecht gibt die Möglichkeit durch notariellen Vertrag auf seinen Erbteil zu verzichten. Nicht selten wird eine solche Erklärung von Kindern gegenüber ihren Eltern gegen Zahlung einer Abfindung abgegeben. Doch die Reichweite einer Erbverzichtserklärung wird häufig unterschätzt.

Wird der Erbverzicht ohne inhaltliche oder zeitliche Beschränkungen erklärt, ist er auch dann wirksam, wenn der Erblasser – im obigen Beispiel also die Eltern – nach Abgabe der Verzichtserklärung noch erhebliches Vermögen bis zu ihrem Tode erwerben. Der Erbverzicht ist bindend, auch wenn zwischen Verzichtserklärung und Erbfall viel Zeit – oft mehrere Jahrzehnte – liegt.

Deutlich wird das an einem am 30.09.2008 vom Landgericht Coburg (Az.: 21 O 295/08) entschiedenen Fall: 35 Jahre vor dem Tode der Mutter hatte die Klägerin ihrer Mutter gegenüber einen umfassenden Erbverzicht erklärt. Anlass der Verzichtserklärung war die Übertragung eines Hausgrundstückes an die Klägerin und eines weiteren Grundstückes an den Bruder der Klägerin. Weiteres Vermögen hatte die Erblasserin zum damaligen Zeitpunkt nicht.

Bis zu ihrem Tode im Jahre 2008 war die Mutter aber erneut zu einem Haus (Wert 150.000 €) und zu Ackergrundstücken (Wert rund 20.000 €) gekommen. Aufgrund des im Jahre 1972 erklärten Erbverzichts wurde der Bruder der Klägerin Alleinerbe. Die Klägerin begehrte von ihrem Bruder die Zahlung des gesetzlichen Pflichtteils bezüglich des nach dem Erbverzicht von der Mutter erworbenen Vermögens.

Das Landgericht Coburg wies die Klage ab. Es sah den Erbverzicht als uneingeschränkt wirksam an. Die Klägerin war aufgrund der inhaltlich eindeutigen Verzichtserklärung von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen und hatte daher keinen Pflichtteilsanspruch mehr. Das Risiko, wie sich das Vermögen des Erblassers bis zum Erbfall entwickelt, hat jedenfalls beim Erbverzicht gegen Abfindung und bei nicht völlig attypischen Vermögenszuwächsen der Verzichtende zu tragen.

Stand: 08.02.2009